Wir konnten und wollten diese Diagnose nicht einfach so stehen lassen.
Nicht, ohne genauer hinzusehen. Nicht, ohne für Finn zu kämpfen. Denn tief in uns wussten wir: Das kann nicht alles sein. Wir spürten, dass da noch eine andere Wahrheit verborgen lag und eine, die nicht in wenigen Zeilen auf einem Arztbrief zu fassen war.
Also nahmen wir unter Tränen Kontakt zu unserer Kinderärztin auf. Eine Frau, die uns bisher mit Ruhe und klarem Blick begleitet hatte. Sie hörte uns zu, nahm unsere Sorgen ernst und verwies uns an eine Spezialklinik für Neurologie. Eine Klinik, der sie selbst vertraute. Ein kleiner Lichtblick in diesem dunklen Moment.

Doch bevor wir dorthin konnten, riet sie uns zu etwas, das wir so gar nicht auf dem Schirm hatten:
„Nehmen Sie sich zehn Tage Auszeit. Kommen Sie zur Ruhe. Atmen Sie durch.“
Atmen? Das war in den letzten Tagen zur Herausforderung geworden.
Die Gedanken ließen uns nicht schlafen, nicht essen, kaum sprechen. Jeder Blick zu Finn, so voller Liebe, war auch verbunden mit dieser alles durchdringenden Angst. Also fuhren wir los. Ans Meer. Denn wenn man irgendwo wieder Luft holen kann, dann doch dort, wo der Wind Geschichten erzählt und die Wellen selbst die lautesten Gedanken übertönen. Der Tapetenwechsel war keine Flucht, er war Überlebensnotwendigkeit. Wir brauchten diese Tage, um wieder zu uns zu finden. Um Kraft zu tanken. Um unsere Herzen wieder zu spüren, zwischen Sand, Salzluft und dem Lächeln eines kleinen Jungen, der nichts von alledem verstand, aber uns jeden Tag mit seinem bloßen Dasein Hoffnung schenkte.


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