Ein Appell aus Sicht einer Pflegemutter, und eines ehemaligen Pflegekindes
Dieser Text fällt mir nicht leicht.
Denn er erzählt von Dingen, die wehtun,
und von Wahrheiten, die unbequem sind.
Aber sie müssen gesagt werden.
Für Finn.
Für all die Kinder, die nicht selbst sprechen können.
Und für ein Verständnis davon, was Kindeswohl wirklich bedeutet.

Zwischen Recht und Realität

Unser Pflegesohn Finn ist ein fröhliches, neugieriges Kind.
Er liebt Spaziergänge, Tiere, Lieder, und ganz besonders seine Lieblingskekse.
Aber einmal in der Woche ändert sich alles.
Dann ist „Umgangstag“.
Für eine Stunde trifft Finn auf seine leiblichen Eltern.
Diese Umgänge finden regelmäßig statt, begleitet von Fachkräften.
Was gut gemeint ist, wird für unseren kleinen Jungen Woche für Woche zum emotionalen Kraftakt.
Schon beim Betreten des Raumes ist Finn nicht mehr derselbe.
Er weint. Verkrampft. Er kann seine kleinen Gefühle nicht sortieren.
Für zwei, manchmal drei Tage danach verweigert er das Essen.
Selbst seine Lieblingskekse rührt er nicht an.
Wir halten ihn. Wir sind da.
Aber wir sehen auch:
Er weiß nicht, wohin mit seinen Gefühlen.
Und vor allem nicht, warum das alles passiert

Warum Nähe nicht immer gut tut

Umgangskontakte sind gesetzlich verankert.
Doch was sagt das Gesetz über das, was Kinder in diesen Momenten empfinden?
Was bedeutet „Elternrecht“, wenn das Kind dabei emotional leidet?
Ich sage es ganz deutlich:
Ein Kind, das aus Gründen in Obhut genommen wurde, sollte zuerst gestärkt werden.
Es sollte Zeit bekommen, Wurzeln zu schlagen.
Selbstvertrauen aufzubauen.
Sich in der Welt sicher zu fühlen.
Und erst dann, vielleicht mit 12, 14 oder wann immer es soweit ist, selbst entscheiden dürfen,
ob es Kontakt zu seinen Wurzeln aufnehmen möchte.

Aus eigener Erfahrung

Ich schreibe das nicht nur als Pflegemutter.
Ich schreibe das als jemand, der selbst ein Pflegekind war.
Ich weiß, wie es sich anfühlt, gegen den Hungertod anzukämpfen.
Wie es ist, aus dem Krankenhaus geholt zu werden, gegen den Rat der Ärzte.
Ich weiß, wie es ist, wenn niemand hinsieht.
Wenn man als Kind das Gefühl hat, man sei nicht wichtig genug, um beschützt zu werden.
Darum sage ich heute mit aller Deutlichkeit:
Nicht jeder, der ein Kind gezeugt hat, ist automatisch berechtigt, diesem Kind zu begegnen.
Elternschaft ist kein Besitzanspruch.
Liebe muss man nicht fordern.
Man muss sie verdienen.

Ein Aufruf an uns alle

Und deshalb richte ich diesen Appell an alle, die mit Kindern zu tun haben:
Erzieher. Lehrer. Ärzte. Nachbarn. Freunde.
Bitte schaut genau hin.
Bitte fragt lieber einmal zu viel.
Lieber einmal mehr den  Kinderschutz anrufen, als eines Tages zu lesen, dass ein Kind gestorben ist, weil niemand sich zuständig fühlte.

Für Finn. Für all die Kinder da draußen.

Ich werde weiter kämpfen.
Für Finn.
Für das, was ihm gut tut.
Für sein Recht auf Sicherheit, Geborgenheit und ein Leben voller Chancen.
Denn Kinder sind keine Besuchsobjekte.
Kinder sind keine Bindeglieder für Schuld oder Reue.
Kinder sind kleine Menschen, mit großen Gefühlen.
Und das verdient mehr Achtung als jeder Paragraf.

Deine Meinung zählt

Was denkst du darüber?
Hast du vielleicht selbst Erfahrungen mit dem Pflegewesen, als Pflegemutter, Pflegekind, Fachkraft oder betroffener Angehöriger?
Oder beschäftigt dich das Thema einfach emotional?
Ich freue mich sehr über deine Gedanken, deine Fragen und den Austausch in den Kommentaren.
Denn nur wenn wir offen miteinander sprechen, können wir auch etwas verändern , für unsere Kinder und für die Zukunft.


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